|
Gedanke der Woche, Paraschat Teruma:
G-ttes Haus bauen
„Sie sollen mir ein Heiligtum
bauen, und ich werde unter ihnen wohnen“ (Exodus
25:8).
Unsere Weisen sagen, G-tt habe die Welt erschaffen,
weil er „sich eine Wohnung auf der unteren Ebene
wünschte“. Demnach sollen wir aus der Welt
eine Wohnung für ihn machen, eine Umwelt, die für
seine Wahrheit empfänglich ist und sie ausdrückt.
Der Bau des Heiligtums in der Wüste Sinai durch
das Volk Israel war der erste Versuch, ein Heim für
G–tt zu errichten. Als G–tt im Heiligtum
wohnte, wurde es zum Prototypen für die Erfüllung
des g-ttlichen Willens in der Schöpfung: „eine
Wohnung für ihn auf der unteren Ebene“. Aber
was bedeutet das?
Ein wichtiger Aspekt unseres Glaubens lautet: „Die
ganze Welt ist von seiner Gegenwart erfüllt“
und „Kein Ort ist ohne ihn“. Wir brauchen
G–tt also nicht in die materielle Welt zu bringen
– er ist schon da. Aber G–tt kann da sein,
ohne eine Wohnung auf dieser Welt zu haben.
Ein Heim ist ein Ort, der für Ihre Gegenwart empfänglich
ist, ein Ort, der Ihren Bedürfnissen und Wünschen
entspricht, ein Ort, wo Sie sein dürfen, wer Sie
sind, und sich nicht verstellen müssen wie in der
Öffentlichkeit.
Die materielle Welt in ihrem natürlichen Zustand
ist kein Heim für G–tt. Wenn alle materiellen
Dinge etwas gemeinsam haben, dann ist es ihr wesenhafter
Egoismus: Das Ich ist die Grundlage und der Sinn ihrer
Existenz. Mit jedem Gramm seiner Masse erklärt
der Stein: „Ich bin.“ Für Bäume
und Tiere ist die Bewahrung und Vermehrung des Ichs
der Zweck jedes Instinkts und das Ziel jedes Handelns.
Mehr noch: Die Menschen haben den Ehrgeiz zu einer Kunst
und die Stärkung des Ichs zu einem Ideal gemacht,
das alles andere verdrängt. Das einzig Falsche
an dieser Ichsucht ist, dass sie eine entscheidende
Wahrheit verdunkelt: Die Schöpfung ist kein Selbstzweck,
sondern ein Produkt und Medium des Schöpfers. Und
Egoismus ist keine zufällige oder sekundäre
Eigenschaft unserer Welt, sondern ihre fundamentalste.
Um aus unserer Welt ein Heim für G–tt zu
machen, müssen wir also ihr Wesen ändern und
ihr Fundament neu gießen. Aus einer egoistischen
Welt muss eine Welt werden, deren Zweck größer
ist als sie selbst. Jedes Mal, wenn wir ein materielles
Objekt oder eine Ressource nutzen, um G–tt zu
dienen, arbeiten wir an dieser Transformation. Wenn
wir aus einem Stück Leder ein Paar Tefillin machen
oder einen Geldschein für einen guten Zweck spenden
oder ein Kapitel der Torah studieren, fördern wir
diese Transformation. Früher sagte das Stück
Leder: „Ich bin.“ Jetzt sagt es: „Ich
bin, um meinem Schöpfer zu dienen.“ Der Geldschein
sagte: „Gier ist schön.“ In der Sammelbüchse
sagt er: „Geben ist seliger als Nehmen.“
Und unser Gehirn sagte einst: „Bereichere dich
selbst“. Wenn es die Torah studiert, sagt es:
„Erkenne deinen G–tt.“
Es gibt zwei grundlegende Schritte, um unsere Welt zu
einem Heim für G–tt zu machen. Der erste
besteht darin, aus materiellen Ressourcen „Gefäße
für das G–ttliche“ zu formen: Leder
zu Tefillin, Geld für Bedürftige, Zeit für
die Torah.
Der zweite Schritt ist das Benutzen dieser „Gefäße“,
um den Willen G–ttes zu erfüllen: Wir binden
die Tefillin um den Arm und um die Stirn; wir geben
den Hungrigen Geld; wir studieren die Torah usw.
Das Heiligtum ist das Modell für alle Häuser,
die künftig auf der materiellen Welt für G–tt
gebaut werden. Die Torah legt deshalb so großen
Wert auf den Bau des g-ttlichen Hauses, weil wir auch
in diesem Leben aus unseren persönlichen Ressourcen
etwas schmieden müssen, was G–tt dienen kann.
Der Standpunkt des Rebbe
Gedanken und Einsichten des Lubawitscher Rebbe
Wir alle brauchen eine kleine Luke, durch die wir ab und
zu aus unserem Raumschiff klettern können. Dann können
wir uns von außen betrachten und sehen, was gut
ist, was repariert werden muss und was wir besser nutzen
könnten. Wir können über uns hinausschauen
und uns mit dem gewaltigen Universum vergleichen. Und
dann können wir wachsen. Eine solche Luke haben wir
tatsächlich. Leider benutzen wir sie selten, weil
wir Angst haben, unser bequemes, klar definiertes Selbst
zu verlassen und uns hinaus ins Weite zu wagen.
In den letzten Tagen des israelischen Feldzuges „Frieden
in Galiläa“ im Jahr 1982 im Libanon war
ich einer von zehn Chassidim, denen die Armee erlaubte,
die Soldaten in Beirut aufzumuntern. Die Soldaten
begrüßten uns, als würden wir das
Ende des Krieges verkünden. Die ganze Nacht gingen
wir von Gruppe zu Gruppe und sangen, tanzten, lachten
und machten natürlich L’Chaims. Wir hatten
keine Zeit zu schlafen. Als der Morgen dämmerte,
holten wir unsere Tefillin aus den Reisetaschen und
fragten die Soldaten, ob sie eine Mizwa befolgen wollten,
indem sie die Riemen eine Minute anlegten.
In dieser Morgenstunde schliefen die meisten Soldaten
noch. Ich suchte nach „Kunden“ und stieß
auf zehn offene Jeeps, in denen jeweils zwei Soldaten
saßen. Die Motoren liefen, und die Männer
warteten in der kühlen Morgenluft auf ihre Befehle.
Offenbar war es ein Kampfauftrag, denn sie waren bis
an die Zähne bewaffnet und trugen dicke, schusssichere
Westen und Stahlhelme.
Ich ging zum ersten Jeep und fragte die Soldaten,
ob sie Tefillin anlegen wollten, und einer bejahte.
Dann ging ich zum nächsten Fahrzeug, stellte
dem Fahrer die gleiche Frage – und erlebte eine
unliebsame Überraschung. Er hörte nur zu,
schaute stur geradeaus und antwortete nicht. Also
stand ich da und wartete. Nach einigen Sekunden der
Stille drehte er sich zu mir um und sagte: „Verschwinde,
du Parasit, du religiöser Gauner! Wenn du nicht
abhaust, reiße ich dich in Stücke! Ich
hasse euch Ungeziefer!“
Mir schien, dass die Antwort „nein“ lautete!
Ich versuchte zu lächeln und etwas zu sagen;
aber da hörte ich eine verzweifelte Stimme rufen:
„Rabbi, Rabbi, komm zu mir – ich will
die Tefillin tragen!“ Ich war froh, dass ich
gehen durfte, wandte mich um und ging zum dritten
Jeep. „Sag mir, Rabbi“, rief der Soldat
aufgeregt, als ich ein paar Schritte gegangen und
noch ein gutes Stück von ihm entfernt war. „Wenn
ich Tefillin trage, wird G–tt mich dann schützen?“
Der Mann hatte offensichtlich große Angst. Vor
einem Tag hatte er wahrscheinlich noch als Verkäufer
gearbeitet; dann hatte die Armee ihn gerufen, und
plötzlich war er an der Front.
„Hör zu, mein Freund“, versicherte
ich ihm. „G-tt schützt dich mit oder ohne
Tefillin. Sei unbesorgt. Er liebt dich, weil du ein
Jude bist. Aber wenn G–tt dich kostenlos schützt,
kannst du ruhig etwas für ihn tun, was dich nichts
kostet und Tefillin anlegen!“
Anscheinend hatte der Soldat im zweiten Jeep, der
mich beschimpft hatte, alles mitgehört, denn
als ich seinem Kameraden die Tefillin gegeben hatte,
rief er: „He, Rabbi, komm her!“ Ich drehte
mich um und sah, dass er einen Ärmel aufrollte,
als wolle er Tefillin anlegen. Er winkte mir, und
ich ging einige Schritte auf ihn zu.
„Was willst du?“, fragte ich. „Was
ist passiert?“
„Was kümmert es dich?“, erwiderte
er. „Ich möchte die Tefillin auch tragen.“
Ich sah ihn an und machte eine israelische Geste,
die bedeutete: „Meinst du das ernst?“
„Hör zu, Freund“, sagte er. „Tefillin
zu tragen, um in den Himmel zu kommen oder fromm zu
sein, ist nichts für mich. Aber Tefillin ohne
Grund zu tragen – dazu bin ich bereit!“
So ist die tatkräftige jüdische Seele. Sie
weist alle guten Gründe für eine Mizwa zurück,
einschließlich der mystischen; aber sie begrüßt
die Tat als solche. Weil ein Jude seinem Wesen nach
tun will, was G–tt will, ist er nicht nur spirituell
mit G–tt eins, sondern auch - und sogar noch
mehr – in seinem täglichen materiellen
Leben.
|
|